Von Walter Zürn
Observatorium Schiltach
Am 20. Januar 2011 verstarb Leon Knopoff zu Hause in Sherman Oaks, Kalifornien im Kreise seiner Familie an den Folgen einer Lungenentzündung. Er war 85-jährig bis zuletzt in mehreren Forschungsprojekten mit Kollegen aktiv und kann diese nun leider nicht mehr selbst mit zum Abschluss bringen.
Er studierte erst Elektroingenieurwesen am Caltech bis zum Bachelorabschluss und wechselte dann an derselben Schule zur Physik, wo er 1946 mit dem Master of Science und 1949 mit dem PhD abschloss. Louis Slichter holte ihn anschließend an das Institute of Geophysics and Planetary Physics (IGPP) an der University of California at Los Angeles (UCLA), wo er 1957 zum Associate und 1960 zum Full Professor befördert wurde. Etwas später wurde er zum Professor für Physik an der UCLA ernannt. Zusätzlich arbeitete er auch noch als Forschungsmusikologe. Diese Positionen behielt er an der UCLA bis er 1995 in den Ruhestand ging, arbeitete aber bis 2010 weiter am IGPP. Als Gastprofessor erfreute er sich großer Beliebtheit; so hielt er solche Positionen nacheinander in Karlsruhe (bei Stephan Müller, 1966), Harvard, Chile, Trieste, Cambridge (UK), Venedig, Beijing, Strasbourg, an einigen dieser Universitäten auch mehrfach.
In dieser Zeit haben 38 Studenten ihre Dissertation bei ihm erfolgreich abgeschlossen. Aus der ganzen Welt (Armenien, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Indien, Iran, Israel, Italien, Japan, Kanada, Mexico, Niederlande, Schweiz, Taiwan, USA, UDSSR, Vietnam) kamen rund 40 junge Wissenschaftler an die UCLA, um mit Leon Knopoff an den verschiedensten Fragestellungen zu arbeiten. Das Spektrum seiner Forschungsinteressen und seiner Originalbeiträge ist sehr, sehr breit: unter anderem Theorie der Erdbebenherde, Theorie der Stoßwellen, Zustandsgleichungen des Erdinneren, Beugungstheorie und ihre Anwendung auf die Streuung seismischer Wellen durch den Erdkern, Beobachtung und Interpretation der Geschwindigkeiten seismischer Oberflächenwellen und Inversion solcher Ergebnisse auf regionale Unterschiede in der Struktur der Kruste und des Mantels, neue Ansätze zur Spektralanalyse, Verbesserung der Interpretation von Eigenschwingungsbeobachtungen, Dämpfung seismischer Wellen, Erfindung des Feder-MassenModells, das auch heute noch in zahlreichen Arbeiten zur Erdbebensimulation verwendet wird, Erdgezeitenmessungen am geographischen Südpol, theoretische Entwicklungen zur Bruchausbreitung, verschiedene Ansätze zur Erdbebenstatistik, Nichtlineare Dynamik im Zusammenhang mit Erdbeben, Erdbebenvorhersageforschung, Entwicklung der Thermolumineszenz-Methode zur Datierung archäologischer Funde und musikologische Forschung. Er ist an über 380 wissenschaftlichen Artikeln maßgeblich beteiligt und hat fünf Bücher mitherausgegeben. Seine heute am häufigsten von Kollegen zitierten Arbeiten betreffen die theoretische Ableitung der äquivalenz der seismischen Dislokationen mit Körperkräften (mit R. Burridge: BSSA, 54 (1964), S. 1875) und (ebenfalls mit R. Burridge: BSSA, 57 (1967), S. 341) das „Feder-Massen“-Modell der Seismizität.
Leon Knopoff selbst hat immer gerne schmunzelnd darauf hingewiesen, dass er die Arbeiten mit dem kürzesten Titel („Q“, Rev. Geophys., 2 (1964), S. 625), mit dem kürzesten Abstrakt „Yes“ als Antwort auf die Titelfrage „Is the sequence of earthquakes in southern California, with aftershocks removed, Poissonian?“ (mit J. K. Gardner: BSSA, 64 (1974), S. 1363) und die Arbeit mit dem wahrscheinlich längsten Wort im Titel („Gruppengeschwindigkeitsmessungen“, mit Götz Schneider und Stephan Müller: Zeitschrift f. Geophysik, 32 (1966), S. 33) (mit-) verfasst hat. Für mich bemerkenswert ist die gemeinsame Publikation zweier heutiger Träger der Emil-Wiechert-Medaille der DGG (Wielandt & Knopoff, JGR, 87 (1982), S. 8631).
Leon Knopoff hat viele ämter innegehabt. Die wichtigsten sind: Generalsekretär des International Upper Mantle Projects, Vizedirektor der gesamten IGPPs der University of California, Vizepräsident des Komitees für mathematische Geophysik der IUGG, Präsident des Komitees für IASPEI, usw.